Von CrossFit zu Kraftletics: Funktionelles Training neu gedacht – mit Wissenschaft und Herz
Es war eine kalte, dunkle Februarnacht. Die Neonlichter im Studio strahlten grell und unbarmherzig und ließen meinen Kopf schmerzen. Es war fast 21 Uhr, mein dritter Kurs des Tages, und meine Stimme war rau vom Überbieten der dröhnenden Musik. Die Teilnehmenden bewegten sich konzentriert, aber mit jedem vergehenden Moment zerfiel ihre anfängliche Präzision in eine chaotische Routine. Ich bat immer wieder um bessere Haltung, doch meine Worte schienen in der Luft zu verblassen. Verloren im schweißgetränkten Rhythmus von Menschen, die aus einem Gefühl der Pflicht trainierten – oder, wie ich vermutete, um ihrem Leben zu entfliehen.
Als die Stunde zu Ende war, klatschten wir uns kurz ab. Ich führte die Gruppe durch das Cool-Down, dann schloss ich das Studio ab, nachdem der letzte geduscht hatte. Draußen war der Parkplatz spärlich beleuchtet, die Luft klirrend kalt. Ich zog meinen Mantel enger und ging über die Straße zu meiner Wohnung. Der Weg war vertraut, fast mechanisch. In der Dunkelheit meiner Wohnung ließ ich die Schlüssel auf den Tisch fallen, schaltete die kleine Lampe über dem Esstisch ein und goss mir ein Glas Rotwein ein. Mein Partner war im anderen Zimmer – am Arbeiten oder Spielen, ich wusste es nicht. Ich fragte nicht nach.
Es war nicht nur der Alltag des Studiobetriebs, der mich ausgelaugt hatte. Die Last der US-Wahl von 2016 lag immer noch schwer auf mir, und ein kürzlicher Besuch im Konzentrationslager Buchenwald hatte mich mit Fragen über Menschlichkeit, Privilegien und den Sinn des Lebens zurückgelassen. Meine Eltern, vietnamesische Geflüchtete, die vor dem Krieg geflohen waren und mehrere Jobs gleichzeitig übernommen hatten – auf Feldern, in Autofabriken, als Küchenhilfen und Pizzafahrer –, um meiner Schwester und mir bessere Möglichkeiten zu bieten, hatten mir den Wert von Durchhaltevermögen beigebracht. Doch hier war ich nun, rief Menschen zu, sie sollten bei ihren Workouts Qualität über Quantität stellen, wohl wissend, dass es ihnen gleichgültig war – und fragte mich, ob es mir inzwischen genauso ging.

Der Impuls zur Veränderung: Bewegungsneurologie und die 4 Must-Haves
Zu dieser Zeit hatte ich bereits Jahre damit verbracht, die Feinheiten der angewandten Neurologie durch Z-Health Performance zu erlernen und unter Lars Lienhard, einem deutschen Pionier der „Neuroathletik“, zu studieren. Lienhards Arbeit mit Profifußballern und anderen Spitzensportlern erregte immer mehr Aufmerksamkeit, und durch ihn begann ich, mein neurologisches Wissen auf meine Kunden anzuwenden. Das Ergebnis war eine völlig neue Perspektive auf Fitness.
Ob es sich um Patienten mit Gehirnerschütterungen, Schlaganfallüberlebende, chronische Schmerzpatienten oder professionelle Athleten handelte – ich sah immer wieder, wie herkömmliche Fitnessansätze Probleme oft verschärften, anstatt sie zu lösen. Die Erkenntnis war unmissverständlich: Die Qualität menschlicher Bewegung ist eng mit der neurologischen Gesundheit verbunden. Das traditionelle Streben nach mehr Gewicht, schnellerem Tempo und größerer Härte ignoriert die grundlegenden Systeme, die unseren Körper steuern.
Mit der Zeit identifizierte ich vier essenzielle Pfeiler der Bewegung, die ich heute als unverhandelbar betrachte: See well, Balance well, Breath well, Move well. Diese vier Elemente wurden zur Grundlage des Kraftletics-Konzepts.
See Well: Warum Augentraining entscheidend für Sport und Alltag ist
Unsere Augen sind das oft übersehene Fundament jeder Bewegung. Peripheres Sehen, Blickverfolgung und schnelle Fokussierungswechsel sind essenziell – nicht nur im Sport, sondern auch im Alltag, sei es beim Navigieren durch den Straßenverkehr oder beim Beobachten von Mitspielern auf einem Spielfeld. Doch in den meisten Fitnessprogrammen bleibt die visuelle Wahrnehmung unbeachtet.
Bei Kraftletics integrieren wir gezielte Augenübungen, indem wir Übungen wie das Ballwerfen, Fangen und Kicken nutzen, um das visuelle System zu schulen. Diese spielerischen Elemente machen nicht nur Spaß, sondern erweitern auch die Bewegungskompetenzen und fördern Reaktionsfähigkeit und räumliches Bewusstsein.
Balance Well: Warum das Kippen des Kopfes so wichtig ist
Gleichgewicht hat weniger mit den Füßen zu tun, als man vielleicht denkt – es beginnt im Innenohr. Daher wird einem schwindelig, wenn man sich schnell im Kreis dreht und es ist der Grund, warum Probleme im Innenohr zu Schwindel, Übelkeit oder Kopfschmerzen führen können. Um das Gleichgewichtssystem gesund zu halten, muss der Kopf regelmäßig gekippt und bewegt werden – ähnlich wie bei einem Welpen, der den Kopf schief legt, wenn er verwirrt ist.
Bei Kraftletics integrieren wir Kopfbewegungen und einbeinige Gleichgewichtsübungen in unsere Aufwärmprogramme und nutzen sie in Kombination mit spielerischen Ballübungen. Dieses Training stärkt nicht nur die Stabilität, sondern auch die Haltung und Reflexe.

Breath Well: Der Regulator für das Nervensystem
Atmung wird oft als sichtbares Zeichen von Anstrengung gefeiert – doch lautes Hecheln und schweres Keuchen sind nicht das Ziel. Wissenschaftlich belegt ist, dass Nasenatmung der Schlüssel zu effektiverer Sauerstoffaufnahme, weniger Ermüdung, niedrigeren Stresswerten und besserer Erholung ist. Bei Kraftletics legen wir großen Wert auf Atemtechniken: Von ungewohnten Atemübungen zur Dehnung der Atemmuskulatur bis hin zur rhythmischen Atmung während des Trainings werden Teilnehmer ständig daran erinnert, durch die Nase einzuatmen.
Move Well: Gelenke sind die Töne in der Symphonie der Bewegung
Bewegung ist wie eine Symphonie aus Gelenkstellungen und -rotationen. Doch modernes High-Intensity-Training legt oft den Fokus auf Tempo und Volumen und übersieht Defizite in der Gelenkkontrolle. Langsame, bewusste Bewegungen stärken Muskeln und Sehnen und decken gleichzeitig Ungleichgewichte auf, die in schnellen Workouts verborgen bleiben.
In unseren Kraftletics-Kursen kombinieren wir langsame Tempoübungen, bei denen Positionen gehalten werden, mit dynamischen Bewegungen, um am Ende der Klasse alle Fertigkeiten zu integrieren.
Eine neue Vision von Fitness
Diese vier Grundpfeiler – See well, Balance well, Breath well, Move well – sind untrennbar miteinander verbunden: Die Verbesserung eines Bereichs wirkt sich positiv auf die anderen aus. Diese Prinzipien, ergänzt durch die Förderung von sozialen Verbindungen und durchdachtem Coaching, bilden heute die Grundlage von Kraftletics – einem Ort, an dem Fitness nicht nur den Körper, sondern auch die Seele stärkt.
Das Puzzle der Langlebigkeit: Warum Beziehungen genauso wichtig sind wie Bewegung
Die Harvard-Studie zur Erwachsenenentwicklung, die seit über 85 Jahren mehr als 700 Teilnehmer begleitet, liefert eine tiefgreifende Erkenntnis: Die Qualität unserer Beziehungen ist der wichtigste Prädiktor für ein langes und glückliches Leben. Nicht Reichtum. Nicht Status. Beziehungen. Hier einige Schlüsselergebnisse dieser laufenden Studie:
Starke soziale Verbindungen fördern die körperliche Gesundheit, verzögern den kognitiven Abbau und senken das Stressniveau.
Konstruktiver Umgang mit Stress und emotionale Regulation sind mit längerer Lebensdauer und besserer Gesundheit verbunden.
Optimistische und glückliche Menschen leiden seltener an chronischen Krankheiten und leben länger.
Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert sowohl die körperliche als auch die geistige Gesundheit.
Neugier, Anpassungsfähigkeit und Offenheit für neue Erfahrungen tragen zu einem längeren, gesünderen Leben bei.
„Wunderbar“, dachte ich, mit einer Mischung aus Sarkasmus und Entschlossenheit. Es fühlte sich an, als hätte das Universum mir eine weitere Herausforderung auferlegt. Ich musste mir eingestehen, dass ich in Sachen zwischenmenschlicher Beziehungen keine großen Stärken hatte. Ich war, wie man sagt, „hyper-unabhängig“ – und bin es in gewisser Weise noch heute. Freunde regelmäßig kontaktieren, sich verabreden, konsequent aufmerksam zu sein – all das fiel mir schwer. Doch die Beweise waren unumstößlich: Körperliche Fitness allein reicht nicht aus.
Den Schmerz des Wachstums akzeptieren
Zu lernen, mit dem Unbehagen der Veränderung umzugehen, wurde zu einer täglichen Herausforderung, während ich versuchte, neue Erkenntnisse in ein praktisches, funktionelles System zu integrieren. Oft fühlte ich mich isoliert. Unfähig, meine Ideen selbst für mich klar zu formulieren. Gruppentraining, wie ich es kannte, passte einfach nicht zu den Prinzipien, die ich inzwischen als essentiell für Langlebigkeit im Leben und Sport begriff – es gab keinen bestehenden Fahrplan, an dem ich mich orientieren konnte.
Trotzdem konnte ich nicht aufhören. Was mich antrieb, war ein tiefes Verantwortungsgefühl – die Pflicht, mein Privileg in etwas Sinnvolles zu verwandeln. Ich war mir der Vorteile, die ich durch meinen Pass und den Zugang zu erstklassiger Bildung hatte, nur zu bewusst. Dieses Bewusstsein befeuerte meine Entschlossenheit, etwas zu schaffen, das wirklich einen Unterschied macht, Schritt für Schritt, in meinem Einflussbereich.
Die Bedeutung von Orten: Warum physische Räume unverzichtbar bleiben
Im Jahr 2020, als die Pandemie zuschlug und das Fitnessstudio für fast ein Jahr schließen musste, fühlte es sich an, als wäre all der Schwung, den ich aufgebaut hatte, plötzlich ausgelöscht. Viele meiner Kollegen in der Fitnessbranche wechselten schnell und erfolgreich zu digitalen Plattformen. Doch für mich kristallisierte sich in dieser Zeit eine fundamentale Erkenntnis heraus: Die unersetzbare Bedeutung von lokalen, physischen Räumen, in denen Menschen sich persönlich begegnen können.
Ironischerweise entpuppten sich die Lockdowns als Geschenk. Sie gaben mir Zeit, mich zurückzuziehen, auszuruhen und zu reflektieren – etwas, das ich mir nie zuvor erlaubt hatte. Ich schlief mehr, tankte Kreativität, vertiefte meine Forschung und konsumierte unzählige Podcasts und Hörbücher, die mein Verständnis erweiterten. Nach und nach wurde klar, dass zwei wesentliche Säulen in das Fundament meines Konzepts integriert werden mussten – nicht nur für mich, sondern für die Menschen, denen es dienen sollte.
Prinzip Eins: Eine Trainingskultur der Verbundenheit
Der erste Pfeiler war die Erschaffung einer inklusiven Trainingsumgebung, in der sich Menschen sicher fühlen, während sie sich auf die oft herausfordernde Arbeit der Selbstverbesserung einlassen. Um dieses Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit zu fördern, bauten wir unsere Kultur auf den folgenden Prinzipien auf:
Wachstumsdenken: Unsere Kraftletics-Coaches verwenden eine Sprache, die Fortschritt über Perfektion stellt. Sie feiern kleine Erfolge und ermutigen, Herausforderungen als Chancen zum Wachsen zu sehen.
Rituale: Vom Moment der persönlichen Begrüßung bis zum gemeinsamen Aufräumen nach der Klasse entsteht ein Gefühl der Gemeinschaft und Verbundenheit.
Prosoziales Verhalten: Während unserer Kraftletics-Klassen partizipieren die Teilnehmenden in Übungen, die Empathie, Freundlichkeit und Dankbarkeit fördern, während unsere Coaches sicherstellen, dass die Bedürfnisse der Partner:innen berücksichtigt werden.
Diese Kultur des Vertrauens, des Wachstums und der Verbindung ist die Grundlage – und kann nur durch unsere Coaches aufrechterhalten werden.

Pfeiler Zwei: Überlegtes und souveränes Coaching
Dieser Pfeiler geht über oberflächliche Ermutigung hinaus und konzentriert sich darauf, die Bewegungsqualität mit Präzision und Zielgerichtetheit zu verbessern. Durch das Studium der Coaching-Wissenschaft und der Talententwicklung erkannte ich, dass Mitgefühl und die Förderung von Selbstwirksamkeit die effektivsten Werkzeuge sind, um Motivation und Fähigkeiten aufzubauen.
Mitfühlende Sprache: Unsere Coaches sprechen respektvoll und unterstützend. Freundlich mit anderen – und sich selbst – zu sprechen, stärkt die Resilienz bei schwierigen Aufgaben und verbessert langfristig die eigene Leistungsfähigkeit.
Autonomie des Lernenden: Teile des Trainings werden eigenständig gesteuert, was sowohl Motivation als auch Leistung steigert. Beispiele sind flexible Vorgaben wie „8–12 Wiederholungen“ oder die Aufforderung, ein Gewicht zu wählen, das Ihrem aktuellen Gefühl entspricht.
Feedback nach Erfolg: Nach einer gelungenen Ausführung erhalten Sie konstruktives Feedback, das Ihre Fähigkeiten stärkt und weiterentwickelt. Unsere Coaches fokussieren sich nicht auf Fehler, sondern konzentrieren sich darauf, Ihnen zu sagen, was Sie tun sollen – nicht, was Sie vermeiden sollen.
Anfangs mag es nach idealistischem Gerede klingen, doch ein Coach kann sowohl fordernd als auch freundlich sein – eine Fähigkeit, die Übung erfordert. Nach Tausenden von Stunden Coaching auf der Trainingsfläche habe ich aus erster Hand erfahren, dass dieser Ansatz nicht nur effektiver ist: Er hilft Menschen, sich besser, schneller und konstanter zu bewegen und bestätigt damit die wissenschaftlichen Grundlagen. Letztlich sorgt er für eine bessere Erfahrung für alle – sowohl für die Teilnehmer als auch für die Coaches.
Zusammen bilden diese Säulen die Grundlage eines Systems, das über die reine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit hinausgeht. Es fördert persönliches Wachstum, sinnvolle Verbindungen und nachhaltige Resilienz. Diese Elemente waren die fehlenden Puzzleteile, die die Vision von Kraftletics vervollständigten.
Kraftletics: Fitness neu definiert – mit Wissenschaft und Seele
Das Studio, das ich heute leite, hat nichts mehr gemein mit den grell beleuchteten Fitnessräumen meiner Vergangenheit. Warmes Licht, Holzelemente und viel Grün schaffen einen einladenden Ort, an dem Menschen nicht nur trainieren – sie verbinden sich. Unsere Kurse legen Wert auf Inklusivität, Freundlichkeit und gegenseitige Unterstützung. Es geht darum, eine Kultur zu fördern, in der persönliches und gemeinsames Wachstum Hand in Hand gehen.
Unser Trainingskonzept hat sich zu einem vielseitigen und hocheffizienten System entwickelt. Es ist ein Ganzkörpersystem-Ansatz , der Kraft, Mobilität, Gleichgewicht, das visuelle System, Atemtechniken und Reaktionsfähigkeit in nur 60 Minuten vereint. Das Warm-up aktiviert alle Gelenke und bereitet den Körper optimal vor. Danach folgt ein Krafttraining, das Teamarbeit fördert, die Stabilität stärkt und die Hand-Auge-Koordination trainiert. Den Abschluss bildet ein Zirkeltraining mit dynamischen, sportlich inspirierten Übungen, die Spaß machen und fordern.
Das Ergebnis? Ein effektives Training, das das gesamte neuromuskuloskelettale System anspricht und den größtmöglichen Nutzen bringt. Aber bei Kraftletics geht es um mehr als körperliche Anstrengung: Wir fördern Offenheit, Mitgefühl und gegenseitige Unterstützung. So wird das Training nicht nur effektiver, sondern auch zu einer Erinnerung daran, dass wir gemeinsam stärker sind.
Wenn ich sehe, wie Menschen das Studio mit einem Lächeln verlassen, weiß ich, dass wir mehr tun als nur Bewegung zu lehren – wir schaffen etwas Bedeutsames.
Für mich ist es ein erfolgreicher Schritt geworden, um das Privileg der Opfer meiner Eltern zu würdigen, die Wissenschaft der Neurologie zu ehren und die einfache, aber tiefgreifende Wahrheit zu leben: Langlebigkeit hängt davon ab, wie wir leben, atmen, uns bewegen und miteinander verbinden. Es geht nicht nur um Fitness – es geht um Leben.